Rotels Historie: Unterschied zwischen den Versionen

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Zwischen 1975 und 1978 erreicht die Unterhaltungsindustrie und die Gerätehersteller im Besonderen nie gekannte Absatzzahlen.
 
Zwischen 1975 und 1978 erreicht die Unterhaltungsindustrie und die Gerätehersteller im Besonderen nie gekannte Absatzzahlen.
 
Der Wettbewerb wird in Deutschland und weiteren europäischen Staaten ab 1974 durch die Aufhebung der Preisbindung angekurbelt, während die USA dem erst 1975 folgen [8].<br>
 
Der Wettbewerb wird in Deutschland und weiteren europäischen Staaten ab 1974 durch die Aufhebung der Preisbindung angekurbelt, während die USA dem erst 1975 folgen [8].<br>
Für Korvettes verschärft sich dadurch die Lage durch den Wegfall ihres anfänglich sehr erfolgreichen Geschäftsmodells und sie beginnen vermehrt auf Budget- und Low-Budget-Geräte zu setzen. Roland ,die sich hier im direkten Wettbewerb zu '''Harman-Kardon''' und '''Electro Voice''' befinden, die ebenfalls diese Sparten von Korvettes beliefern, reagiert mit der Rolecor '''RTA-Serie''', der zumeist der AM-Bereich fehlt, um die Herstellungskosten zu senken. Auch Korvettes Low-Budget '''XAM-Serie''' kann Roland mit einigen Modellen bedienen.
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Für Korvettes verschärft sich nun die Lage durch den Wegfall ihres anfänglich sehr erfolgreichen Geschäftsmodells und sie beginnen vermehrt auf Budget- und Low-Budget-Geräte zu setzen. Roland, die sich hier im direkten Wettbewerb zu '''Harman-Kardon''' und '''Electro Voice''' befinden, die ebenfalls diese Sparten von Korvettes beliefern, reagiert mit der Rolecor '''RTA-Serie''', der zumeist der AM-Bereich fehlt, um die Herstellungskosten zu senken. Auch Korvettes Low-Budget '''XAM-Serie''' kann Roland mit einigen Modellen bedienen.
  
 
Mitten im Boom im Juli 1976 entschließt sich Roland den Namen der japanischen Mutter zu '''The Rotel Co. Ltd.''' zu ändern. Auf den Typenschildern steht fortan ''The Rotel'' für die japanischen Produkte und weiterhin ''Rotel'' für die in Taiwan gefertigten. Der vorangestellte Artikel ,,The" lässt vermuten, dass sich zu diesem Zeitpunkt der Markenname ''Rotel'' noch im Besitz von Martel befindet. Über die Beweggründe der Namensänderung kann nur spekuliert werden. Möglicher Weise will Rotel damit einem Konflikt mit dem vier Jahre zuvor 1972 in Osaka gegründeten Musikgerätehersteller '''Roland Corp.''' [9] aus dem Wege gehen und entscheidet sich, statt auf den Gründungsnamen zu pochen, durch eine Angleichung von Produkt- und Herstellernamen die Marke Rotel zu stärken. Offensichtlich hat Martel bei der Vermarktung von Rotel hervorragende Arbeit geleistet, was bemerkenswerter Weise keinerlei Erwähnung auf der Rotel Homepage bzw. in ihrer Firmengeschichte findet.
 
Mitten im Boom im Juli 1976 entschließt sich Roland den Namen der japanischen Mutter zu '''The Rotel Co. Ltd.''' zu ändern. Auf den Typenschildern steht fortan ''The Rotel'' für die japanischen Produkte und weiterhin ''Rotel'' für die in Taiwan gefertigten. Der vorangestellte Artikel ,,The" lässt vermuten, dass sich zu diesem Zeitpunkt der Markenname ''Rotel'' noch im Besitz von Martel befindet. Über die Beweggründe der Namensänderung kann nur spekuliert werden. Möglicher Weise will Rotel damit einem Konflikt mit dem vier Jahre zuvor 1972 in Osaka gegründeten Musikgerätehersteller '''Roland Corp.''' [9] aus dem Wege gehen und entscheidet sich, statt auf den Gründungsnamen zu pochen, durch eine Angleichung von Produkt- und Herstellernamen die Marke Rotel zu stärken. Offensichtlich hat Martel bei der Vermarktung von Rotel hervorragende Arbeit geleistet, was bemerkenswerter Weise keinerlei Erwähnung auf der Rotel Homepage bzw. in ihrer Firmengeschichte findet.

Aktuelle Version vom 15. Januar 2025, 21:36 Uhr

Rotels Historie

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Epoche 1: 1957 - 1966

Unternehmensgründung

Der gebürtige Taiwanese Tomoki Tachikawa studiert nach dem zweiten Weltkrieg Elektrotechnik in den USA und kehrt danach nicht nach Taiwan zurück, sondern gründet in Tokyo anfang der 1950er Jahre ein Radio- und Fernsehgeschäft. Dazu importiert er Fernseher der Sylvania Electric Products Inc. aus den USA und rüstet die Netzteile von der in den USA gebräuchlichen 120V-Spannung auf die in Japan verwendeten 100V um. Kurze Zeit später übernimmt er den Vertrieb der Sylvania-Fernseher (heute Curtis-Sylvania, als eine Marke der Curtis Int'l Ltd., Ontario, Canada) für ganz Japan. Der Name und der Zeitpunkt der ursprünglichen Unternehmensgründung, sprich des Radio- und Fernsehgeschäftes, bleibt im Unklaren. Da kurze Zeit später auch die japanische Elektroindustrie wiedererstarkt, ist der Import von Fernsehern aus den USA schon nach wenigen Jahren unrentabel. Mit der Unternehmensgründung der ROLAND ELECTRONICS Co. Ltd., Meguro, Tokyo, Japan im Jahre 1957 [1] ist davon auszugehen, dass das Fernsehgeschäft zu diesem Zeitpunkt eingestellt wird. Zwar nennt Rotel hier das Jahr 1961 [1], doch die Angabe erscheint unschlüssig. Ziel dieser neuen Unternehmung ist die Zulieferung von Komponenten/Modulen bspw. Empfängern, Verstärkern, Netzteilen und Transformatoren für andere Hersteller bzw. Marken im Bereich von Audio und Empfang im Allgemeinen.

Wann der zweite tokyoter Standort von Roland in Chofu, Tokyo gegründet wird, lässt sich nicht ermitteln. Auch nicht die Reihenfolge der Gründungen oder der sich u. U. daraus ergebenden Arbeitsteilung. Aus der Begleitdokumentation [2] geht lediglich hervor, dass der zweite Standort ab Dezember 1973 nicht mehr erwähnt wird und davon ausgegangen werden kann, dass er etwa zu diesem Zeitpunkt wieder geschlossen wird.

Steigende Absatzzahlen, aber auch Lohnkosten werden Roland frühzeitig zu der Überlegung geführt haben, ein Zulieferwerk in Taiwan zu eröffnen. Mit der Gründung der Rotel Electronics Co. Ltd. Taipeh, Taiwan im Jahr 1961 wird diese Idee dann umgesetzt. Die Eigenangabe ,,Wir sind offiziell Rotel" [1] ist daher irreführend, da die japanische Mutter den Firmennamen Roland vorläufig auch weiterhin beibehält.

Anfänglich werden in Taiwan mehrheitlich nur Transformatoren gefertigt, ggf. auch Komponenten für die nach wie vor in Japan ansässige Gerätemontage, da sich erst ab dem Jahr 1972 komplett in Taiwan gefertigte Geräte belegen lassen.

Start der Fertigung von Röhrengeräten

Um die Geschäftstätigkeit auszuweiten, entwickelt Roland schon frühzeitig ab ca. 1959 eigene Radioverstärker (Receiver) und bietet diese auf der Tokyo Electronic Fair dem internationalen Fachpublikum zum Kauf an. Auf einer dieser Messen wird der Kontakt zur Martel Electronics Co. Ltd. Los Angeles, Kalifornien, USA zustande gekommen sein. Ein Glücksfall für Roland, wie sich später noch zeigen wird.

Martel importiert fortan die von Roland gefertigten Geräte in die USA, muss sich aber, da es sich um ein sogenanntes Wiederverkäufergeschäft handelt, im Gegensatz zu einem Vertrieb, selbst um den Service der Geräte bei einem Defekt innerhalb der Garantiezeit Vorort kümmern. Es ist letztlich auch Martels Idee, die Geräte unter dem Markennamen Rotel anzubieten. Dies ist eine Mischung aus Roland und Martel, da der Name Roland in den USA zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Roland Radio Corp. Mt. Vernon, New York, USA [3] besetzt ist. Zwar schafft diese Roland Radio Corp. noch den Sprung vom Röhren- ins Transistorzeitalter, findet jedoch ab etwa 1970 keine weitere Erwähnung. Dennoch behält Martel ihren Markennamen Rotel auch später bei, wobei es ebenfalls Geräte von Martel unter ihrem eigenen Namen Martel oder Telmar gibt. Ansonsten entsprechen die Martel-Geräte stets dem Roland-Entwicklungsvorschlag.

Wann Roland erstmalig Geräte für die E.J. Korvette Corp. New York, New York, USA [4] bzw. deren Filialkette herstellt, lässt sich nicht ermitteln. Hier kann aber davon ausgegangen werden, dass dies in etwa mit der Gründung der Unternehmenstochter in Taiwan im Jahr 1961 zusammenfällt.

Korvettes betreibt im Maximum 58 Ladengeschäfte entlang der amerikanischen Ostküste. Zusammen mit Martel entwickelt sich daraus die Aufteilung des US-Marktes, wobei Martel die gesamten USA mit Ausnahme der Ostküste beliefert. Korvettes wird groß, in dem sie durch ein Mitgliedsprogramm die damals per Gesetz verbindlichen Verkaufspreise dennoch unterbieten. Dazu muss nur beim Betreten im vorderen Teil eines Geschäftes ein Mitgliedsantrag ausgefüllt werden und dann kann im hinteren Teil als Mitglied eingekauft werden. Diese Mitgliedschaft verpflichtet zu nichts, ggf. wird sie jedesmal erneut ausgefüllt. Anfangs liefert Roland nur Eigenentwicklungen der FAX-Serie, die von Korvettes unter dem Markennamen Rolecor verkauft werden.

Ein weiterer Abnehmer der ,,ersten Stunde" ab 1965 ist Inter-Mercador (ab 2000 Monacor) aus Bremen, die die Geräte unter der Markenbezeichnung Monarch in den USA anbieten. Hinter den von Roland abweichenden Gerätebezeichnungen stecken stets die Standardgeräte.

Zu welchem Zeitpunkt das Importhouse of Canada, Toronto, Ontario seine Tätigkeit aufnimmt bzw. anfängt, Roland-Geräte zu importieren, lässt sich nicht ermitteln. Jedenfalls existiert es um das Jahr 1967 herum bereits und bietet die Geräte unter dem Markennamen Belcor an. Ab etwa 1975 werden auch teilweise abgewandelte Roland-Geräte als Noresco angeboten, als Fortführung einer ehemals kanadischen Produktion unter gleichem Namen.

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Epoche 2: 1967 - 1980

Übergang zum Transistor

Mit der Arbeitsteilung zwischen Japan und Taiwan ist Roland gut aufgestellt, hat aber auch mehr und mehr mit dem Preisdruck des Wettbewerbs zu kämpfen. Ende 1966 entscheidet sich Roland daher die Fertigung von Röhrengeräten einzustellen, wobei noch einige Lieferverpflichtungen bis ins Jahr 1967 reichen.

Da das taiwanesische Werk für die Fertigung von je drei Transformatoren pro (Stereo-) Röhrengerät ausgelegt ist und Transistorgeräte i. d. R. nur einen Trafo benötigen, findet durch die drohende Unterauslastung erneut ein ,,Stühlerücken" statt. Dabei übernimmt das taiwanesische Werk ab 1972 die komplette Fertigung von einfacheren Geräten, bspw. des RX-150A oder RA-110A. Dies führt in letzter Konsequenz zur Schließung des Zweitwerkes in Chofu, Tokyo zu Ende 1973 (s. o.).

Enormen Preisdruck verspüren auch Korvettes und Martel und drängen daher Roland dazu, den Service in den USA selbst zu übernehmen. Nur für die Servicearbeiten seiner beiden größten Abnehmer gründet Roland in Folge dessen an der West- und Ostküste je eine Serviceniederlassung ab etwa Mitte 1972 [5]. Ungewöhnlich für einen OEM (Original Equipment Manufacturer).

Rotel Technical Center.jpg

Teilweise werden diese Niederlassungen in der Begleitdokumentation auch als Rotel of America Inc. oder als Rolecor of America Inc. bezeichnet, stehen dann aber nur als Synonym für Ost- oder Westküste (Korvette oder Martel). Beide Niederlassungen bestehen bis ca. Ende 1981.

Ab etwa 1972 fertigt Roland auch nicht unerhebliche Mengen an Geräten für die Sears, Roebuck & Co. Neben teilweise stylistisch vom Roland-Entwurf abweichenden Geräten, werden auch nur mit dem Sears-Logo versehene Geräte hergestellt. Belege dafür, das Roland auch Geräte als Sears-Eigenmarke Silvertone liefert, lassen sich nicht finden.

In Europa läuft es Anfang der 1970er Jahre für Roland ebenfalls prächtig, als die Rank Organisation [7] vornehmlich in Großbritannien ihre eigenen Marken Wharfedale, Leak und Rank mit teilweise abgewandelten Roland Modellen ergänzt bzw. ersetzt. Während in Großbritannien die eher kleineren Modellreihen über die Rank Organisation hohen Absatz finden, werden von ihr über die Rank Film- und Fernseh GmbH, Hamburg, Deutschland auch die größeren Modellreihen innerhalb Kontinentaleuropas sehr erfolgreich verkauft.

Boom und Absturz

Zwischen 1975 und 1978 erreicht die Unterhaltungsindustrie und die Gerätehersteller im Besonderen nie gekannte Absatzzahlen. Der Wettbewerb wird in Deutschland und weiteren europäischen Staaten ab 1974 durch die Aufhebung der Preisbindung angekurbelt, während die USA dem erst 1975 folgen [8].
Für Korvettes verschärft sich nun die Lage durch den Wegfall ihres anfänglich sehr erfolgreichen Geschäftsmodells und sie beginnen vermehrt auf Budget- und Low-Budget-Geräte zu setzen. Roland, die sich hier im direkten Wettbewerb zu Harman-Kardon und Electro Voice befinden, die ebenfalls diese Sparten von Korvettes beliefern, reagiert mit der Rolecor RTA-Serie, der zumeist der AM-Bereich fehlt, um die Herstellungskosten zu senken. Auch Korvettes Low-Budget XAM-Serie kann Roland mit einigen Modellen bedienen.

Mitten im Boom im Juli 1976 entschließt sich Roland den Namen der japanischen Mutter zu The Rotel Co. Ltd. zu ändern. Auf den Typenschildern steht fortan The Rotel für die japanischen Produkte und weiterhin Rotel für die in Taiwan gefertigten. Der vorangestellte Artikel ,,The" lässt vermuten, dass sich zu diesem Zeitpunkt der Markenname Rotel noch im Besitz von Martel befindet. Über die Beweggründe der Namensänderung kann nur spekuliert werden. Möglicher Weise will Rotel damit einem Konflikt mit dem vier Jahre zuvor 1972 in Osaka gegründeten Musikgerätehersteller Roland Corp. [9] aus dem Wege gehen und entscheidet sich, statt auf den Gründungsnamen zu pochen, durch eine Angleichung von Produkt- und Herstellernamen die Marke Rotel zu stärken. Offensichtlich hat Martel bei der Vermarktung von Rotel hervorragende Arbeit geleistet, was bemerkenswerter Weise keinerlei Erwähnung auf der Rotel Homepage bzw. in ihrer Firmengeschichte findet.

Rotel Typenschilder RA-1312.jpg
Typenschild des ab Frühjahr 1976 in Japan hergestellten RA-1312 vor und nach der Namensänderung Mitte 1976.

Etwa zu Ende 1979 schließt das Importhouse of Canada sein Pforten, womit für Rotel der erste Stein fällt.

Im gleichen Zeitraum beginnt in Europa die Rank Organisation ihre Aktivitäten neu zu ordnen. Sie stellt ihre Film- und Fernsehaktivitäten vollständig ein, womit auch der in Hamburg ansässige Geräteverkauf zum Erliegen kommt. Die Fortführung der Rank-eigenen Geräteherstellung in Großbritannien steht ebenfalls auf dem Prüfstand. Alle gewinnbringenden Unternehmen werden später in die Rank Group überführt und die Verlustbringer entweder verkauft oder geschlossen. Für Rotel bricht somit das Europageschäft vollständig weg.

Für kurze Zeit übernimmt die Dahl Elektronik GmbH den Verkauf in Deutschland, erreicht aber nie das Volumen von Rank.

In den USA kommt Korvettes auf die wenig glorreiche Idee, sich mit der weitaus stärkeren Macy's Inc., Cincinnatti, Ohio einen Preiskampf zu liefern. Macy's hat in der Tat weniger Filialen als Korvettes, ist aber zu dieser Zeit im Versandhandel sehr stark. Kurzum: Korvettes meldet Ende Dezember 1980 Konkurs an.

Für Rotel bleiben somit Ende 1980 nur noch Japan und der Westen der USA als Absatzmarkt übrig. Über die Höhe des Umsatzrückganges kann nur spekuliert werden, doch scheinen vorsichtige Schätzungen auf mindestens 45% Umsatzrückgang bzw. Geräteabsatz hinzudeuten.

Wie dem auch immer sei: Rotel reagiert sofort mit der Einstellung der Transformatorenfertigung in Taipeh und bezieht eine neue kleinere Fertigungsstätte in Taipeh [10]. Fortan werden die Transformatoren bei Bando oder Tamura zugekauft. Weiterhin wird auch die Service-Niederlassung in New York geschlossen [10]. Welche Konsequenzen der Umsatzeinbruch für die japanische Mutter hat, lässt sich nicht ermitteln, es kann aber schon - analog zu Taiwan - von einer drastischen Personalanpassung ausgegangen werden. Wie sehr, wird sich noch zeigen.

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Epoche 3: 1981 - 1995

Erzwungener Neustart

Das von Rotel bis Dato praktizierte Geschäftsmodell, nur an Wiederverkäufer zu verkaufen (Retail), ist zumindest für den Hersteller risikolos. Er liefert nur bereits bezahlte Ware. Für den Wiederverkäufer bedeutet dies, in Vorleistung gehen zu müssen. Ein Dilemma für Rotel, denn sie brauchen jetzt und sofort in dieser prekären Lage neue Abnehmer, nur werden sie mit dem althergebrachten Modell so schnell niemanden finden.

Wie letztlich der Kontakt zu Bowers & Wilkins zustande kommt, bleibt im Unklaren. Denkbar, weil recht wahrscheinlich: Rank bietet B&W Wharfedale zum Kauf an, die dankend ablehnen, aber Interesse an Rotel als Elektronikhersteller bekunden, um ihr Geschäftsfeld zu erweitern.

In den stattfindenden Verhandlungen zwischen Rotel und B&W wird sich Rotel vermutlich außerstande gesehen haben, die Geräte B&W als Vertrieb auf Kommission alleinig vorzufinanzieren. Dies ist aber bei Vertrieben üblich, dass die Ware erst nach Verkauf an Endkunden schrittweise bezahlt wird und nicht schon bei Lieferung. B&W wird dann den Vorschlag zur Güte gemacht haben, eine komplett neue Geräteserie von Stan Curtis [11] entwickeln zu lassen, die einfach und kostengünstig hergestellt werden kann, technisch schlicht, aber doch modern und ansprechend ist. Die Geburt des RA-820, der Rotel letztlich das Leben rettet, wird bemerkenswerter Weise auf der Homepage ebenfalls nicht gewürdigt. Auch das Balanced Design Concept geht auf Stan Curtis zurück [11], das heute noch von Rotel als Bestandteil ihrer Markenidentität hochgehalten wird.

Neuausrichtung

Schnell wird die neue 820er-Reihe ausgebaut und um die 840er und 860er-Serien - ebenfalls von Stan Curtis entwickelt - erweitert. Ein Beweis dafür, dass Stan Curtis' neues Konzept tragfähig ist und B&W seine Aufgabe im Vertrieb auch sehr engagiert verfolgt. Da B&W auch den Vertrieb in den USA übernimmt, bleibt unklar, wie es dann mit Martel weitergeht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss das Markenrecht an Rotel vollständig alleinig an The Rotel Co. Ltd. übergegangen sein, denn fortan wird in der Begleitdokumentation darauf hingewiesen, dass Name und Logo registrierte Marken von The Rotel Co. seien. Faktisch wird der stets verlässliche Importeur vom Vertrieb aus dem Rennen gekickt; vermutlich herausgekauft. Jedenfalls findet die Serviceniederlassung in Kalifornien ab Ende 1981 keine Erwähnung mehr, dafür aber ab 1982 die Rotel of America Inc., nun aber mit Sitz in Reading, Massasuchetts (Mittelwesten).

Erst Ende 1983, Anfang 1984 erscheint mit der 870er-Geräteserie wieder eine vollständige Eigenentwicklung von Rotel, die auch mit Ausnahme des RD-870 in Japan gefertigt wird. Wie sehr Rotel das japanische Personal nach der Kovette-Pleite heruntergefahren hat, lässt sich für das Jahr 1982 anhand der Seriennummern bzw. Typenschilder erahnen: es werden nur Equalizer der Serie 860 gebaut und die Micro-Anlagen der 80er, 82er und 90er Serie. Mit der neuen 870er Serie als Spitzenmodell, geht es auch in Japan wieder aufwärts.

Im Jahr 1985 tritt Bob Tachikawa, der Sohn des Firmengründers, ins Unternehmen ein [1].

Nach der erfolgten Konsolidierung in den 1980er Jahren verlässt Stan Curtis Rotel. Es folgt die 900er Serie als wieder vollkommen eigenständige Entwicklung von Rotel. Etwa Anfang der 1990er Jahre kann Rotel die Adcom Co. Ltd. als großen Kunden gewinnen und fertigt in Folge große Stückzahlen diverser Geräteserien ausnahmslos in Taiwan. Das Jahrzehnt ist für Rotel geprägt von Kosteneffizienz, denn der Markt scheint gesättigt, die Endverbraucherpreise stagnieren bei fortschreitenden Kosten. Wenn Rotel auch das bevorstehende neue Jahrtausend erleben will, braucht es erneut einen großen Wurf oder einen harten Schnitt. Rotel entscheidet sich daher in Zhuhai, China [12] ein neues Fertigungswerk zu errichten.

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Epoche 4: 1996 - 2004

Konzentration auf den Punkt

Peter Kao, Enkel von Bob Tachikawa, tritt 1996 in das Unternehmen ein und übernimmt später dessen Leitung.

Die ersten Arbeiten in Zhuhai beginnen 1995 und die ersten Geräte verlassen im August 1996 die neue Fabrik. Das dies zur Folge hat, dass die Fertigung in Japan aufgegeben wird, war anhand des mittlerweile dort erreichten Lohnniveaus zu erwarten. Tatsächlich läuft die Produktion in Japan noch bis April 1998. Aber Rotel hat sich ebenfalls dafür entschieden, auch die Fertigung in Taiwan aufzugeben. Dort verlassen im Juni 1998 die letzten Geräte die Fabrik. Da in Taiwan annähernd alle Adcom-Budget-Geräte hergestellt werden, ist es naheliegend, dass Rotel den Fertigungsstandort an Adcom (heute eine Marke der Everest World Co. Ltd.) verkauft, die dann dort die Fertigung ihrer Geräte in Eigenregie fortführen.

Ob nun die notwendigen Arbeiten im Zusammenhang mit den Werksschließungen oder der Werkseröffnung dazu führen, dass Rotel förmlich den Audio/Video-Receiver-Boom ab Mitte der 1990er verschläft, kann nur vermutet werden. Fakt ist jedenfalls, dass Rotel zwischen 1996 und 1997 diverse Modellreihen in Korea zukauft, statt sie selbst zu fertigen [13]. Die Eigennennung ,,Unser erster Surround-Prozessor erscheint (1995)" [1] soll diese Flanke sichtlich kaschieren. Neben der Gerätefertigung hat Rotel in China auch wieder eine Transformatorenfertigung etabliert, die u. U. selbst an der verhältnismäßig langen Übergangsphase von JP/TW auf CN verantwortlich ist. Wie auch immer: Ab der Jahrtausendwende stabilisieren sich die Prozesse im chinesischen Werk und Rotel kann dann in schneller Geräteabfolge noch am A/V-Boom partizipieren.

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Epoche 5: 2005 - heute

Neue Eigentümer und neue Strukturen

2005 wird Rotel von der Grand Green Ltd., Hong Kong, China übernommen [1]. Welchen unternehmerischen Schwerpunkt der neue Eigentümer verfolgt, ließ sich nicht ermitteln. Zwar ist mit Peter Kao weiterhin ein Familienmitglied der Tachikawas Geschäftsführer von Rotel, doch ein Familienunternehmen ist es durch den Verkauf an Grand Green nicht mehr. Es wird in der Folge auch die Vertriebsvereinbarung mit B&W aufgelöst. Weiterhin wird das Herstellungswerk in Zhuhai fortan als Joint Venture zwischen Rotel und B&W weitergeführt [1]*. B&W behält noch den Vertrieb für Großbritannien, während innerhalb Europas nur Vertriebsrechte für einzelne Länder vergeben werden. Gleiches gilt für die USA und den Rest der Welt.

  • Ob dieses Joint Venture knapp 20 Jahre später, im Jahr 2024 noch besteht, ließ sich nicht ermitteln.

Zurückblickend hat B&W als weltweiter Vertrieb hervorragende Arbeit geleistet, die - man ahnt es - auch keinerlei Würdigung durch Rotel erfährt. Gerade im Aftersalesbereich - Stichwort B&WGroupSupport - haben sie das Vertrauen in die Marke durch einen aufmerksamen Kundenservice gestärkt. Eine Servicequalität, die mit Rotels Rückfall in die ,,Kleinstaaterei" nicht mehr erreicht wird.

Ab 2019 lässt Rotel die Michi-Serie von 1993 wieder aufleben und strebt von Anfang an mit den Geräten eine eigenständige Marke an. Die Flucht nach vorn im Sinne einer höheren Wertschöpfung, erscheint zwingend, haben doch schon viele andere, auch weitaus größere Marken, zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben.

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[0] Stand: Okt. 2024
Dem Artikel liegt eine lange Marktbeobachtung und Recherche zugrunde. Viele Zusammenhänge ergeben sich aus einer Datenbank mit >16000 Roland/Rotel-Geräten (mehrfach-Nennungen mgl.). Stellen, die auf Annahmen beruhen, sind im Text deutlich als solche gekennzeichnet. Generell ist es unüblich, dass eigentümergeführte Unternehmen die Geschichte zu ihrem Unternehmen und damit zu ihrer Familie öffentlich machen. Folglich sind die Selbstangaben immer auch als Teil eines Marketingkonzeptes zu verstehen und entsprechend zu hinterfragen.
[1] Eigennennung von Rotel auf ihrer englischsprachigen Homepage im Jahr 2024
[2] Letzte Nennung der Niederlassung in Chofu im Nov. 1973 in der Bedienungsanleitung des RX-454.
[3] Lediglich im Radio-Museum findet sich ein Herstellerhinweis auf die Roland Radio Corp. Mt. Vernon
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/E._J._Korvette
[5] Angabe ,,Rolecor of America Inc." im Servicemanual des RX-400A aus Juni 1972
[6] Vormals J. D. Electronics Ltd., 81 Brisbane Road, Downsview Ontario lt. Nennung in kanadischem Prospekt von ca. 1972
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/The_Rank_Organisation
[8] Consumer Pricing Act von 1975
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Roland_(Unternehmen)
[10] Laut Angabe im Service-Manual des RA-820B
[11] http://www.StanCurtis.com
[12] Rotel Electronics Co. Ltd., #27 Lianfeng Rd., Free Trade Zone, Zhuhai Guangdong, 519030 China
[13] RSP-966, RSX-965 (RDS), RSX-972, RTC-965 und RX-975 sind ,,Made in Korea"

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