Direkter und indirekter Schall
Inhaltsverzeichnis
Direktschall
Der direkte Schallanteil erreicht den Hörer auf direktem Weg, ohne den Einfluss von Raumbegrenzungen oder Einrichtungsgegenständen, ohne Verdeckung, also praktisch bei direkter Sichtverbindung des Hörers zur Schallquelle. In diesem Schallanteil steckt die einzige unverfälschte Information über die Schallstruktur der Schallquelle und im Idealfall eines richtig wandelnden Lautsprechers bzw. über die Originalschallstruktur der Aufnahme. Nur im Direktschall ist die Einschwing- / Impulscharakteristik unverformt hörbar, und das ist die einzige Information, die uns eindeutig wahrnehmen lässt, von welcher Art und Charakteristik die Schallquelle ist und welche Dynamik und Zeitinformationen die Aufnahme beinhaltet. Nur hier hören wir wirklich, welcher Raumklang in der Aufnahme steckt. Der Direktschallanteil hat in Räumen, obwohl anteilmäßig geringer als der Indirektschall, darum eine größere Bedeutung. Das Erkennen und Orten der Schallereignisse innerhalb des Originals (Aufnahme), also auch das Erkennen des originalen Raumklanges, ist nur im Direktschall eindeutig möglich.
Lautsprecher, die diese Charakteristik nicht richtig reproduzieren, verwehren uns den Zugang zum anderen Aufnahmeraum. Hier verzerrt sich das Bild und verschieben sich die verschiedenen Instrumente je nach Einsatz und Tonhöhe.
Indirektschall
Der indirekte Schallanteil und damit der Klang des Hörraumes wird wesentlich bestimmt durch die Reflexionen und die Resonanzen.
Resonanzen
Wird eine Schallwelle zwischen parallelen Wänden hin und her reflektiert, so schwingt sie sich zu einer Resonanz auf. Der Abstand der Wände zueinander bestimmt dabei das Frequenzspektrum der Resonanz. Zwischen den Wänden entstehen je nach Frequenz Überhöhungen und Einbrüche im Frequenzbereich. An den Wänden haben die Grundresonanz und deren Vielfache ihr Druckmaximum. Das Klangbild wird hier ungleichmäßig überhöht, so ähnlich wie bei einer Transmissionlinebox. Die Resonanzen liegen bei großen Räumen im tiefen Bassbereich. Die Wegstrecken zwischen den Wänden sind jedoch lang, so dass die Energie der stehenden Wellen relativ gering ist (Schallenergie nimmt mit zunehmender Entfernung ab). Der Bassbereich ist dadurch weniger aufgebläht, kling sauberer. Die Resonanzen in kleinen Räumen liegen im Frequenzbereich höher. Die Wandabstände sind geringer, die Raumresonanzen sind relativ stark ausgeprägt, der Bass ist dementsprechend im mittleren und oberen Bassbereich aufgeblähter und unsauberer.
Experiment 1:
Dazu brauch man entweder einen Frequenzgenerator oder eine Test-CD mit festen Testtönen im Bassbereich.
Beispiel: ein 50 Hz Ton.
Wir können nun den 50 Hz Ton über unsere Lautsprecher abspielen. Am besten den Player auf Repeat stellen.
Nach wenigen Bruchteilen einer Sekunde erreichen wir den eingeschwungenen Zustand im Raum und erleben die Wirkung von Raumresonanzen unmittelbar. Wenn wir uns nun bewegen, vor und zurück, nach oben und nach unten, einfach durch den Raum gehen, dann wissen wir, warum wir bisher dachten, dass der eine Lautsprecher viel und der andere Lautsprecher weniger Bass machte. Es gibt je nach Hörposition ein auf und ab im Schalldruck, an manchen Stellen bis nah an die vollständige Auslöschung. Den Lautsprecher kann man dabei nur mit allergrößter Mühe erkennen und das eher an Nebengeräuschen. Und bei jeder anderen Frequenz ergibt sich eine andere Verteilung der Druckbäuche und -knoten. (So nennt man die Überhöhungen und Einbrüche im Schalldruckverlauf.)
Die Abstrahlwinkel bis ca. 30° sind für die frühen, energiestarken, besonders einflussreichen ersten Reflexionen maßgeblich. In einer schallharten Umgebung mit relativ geringer Filterung des Schalls an den Reflexionsflächen ist es vorteilhaft, wenn die vom Lautsprecher rundum abgestrahlten Schallstrukturen den originalen Schallstrukturen sehr ähnlich sind.
Der Lautsprecher sollte also über weite Abstrahlwinkel korrekte Signale liefern, also korrekte Ergebnisse seiner Übertragungsfunktion. Die komplexe Übertragungsfunktion kann mit der Sprungmessung überprüft werden. Beim Vergleich verschiedener Lautsprecher ist also die Sprungmessung unter verschiedenen Winkeln zu vergleichen. Insbesondere Abstrahlwinkel, die naheliegende Reflexionswinkel auf Flächen betreffen, sind hier von besonders großer Bedeutung. Im Mittelhochtonbereich sind dies, aufgrund der natürlichen Richtcharakteristik höherer Töne, vor allem die nahen seitlichen Reflexionen und die des Fußbodens, als die einzige in allen Räumen praktisch konstante, immer vorkommende Fläche.
Je nach Anwendungsvorgaben der Lautsprecher und dem sich daraus ergebenen statistischen Mittel der Entfernungen der Lautsprecher zu den Hörplätzen, sind entsprechende Abstrahlwinkel in Richtung Fußboden von besonderem Interesse.
Die Reflexionswinkel des Fußbodens (in der Regel bei der halben Entfernung des Lautsprechers von Hörplatz) sind raumakustisch besonders relevant. Daher wird an diesen Stellen gerne ein möglichst dicker Teppich platziert.
Fazit: Reflektierter Schall beinhaltet nicht mehr die gleiche Schallstruktur wie der Direktschall und ist somit viel schwerer zu verstehen.
Der indirekte Schallanteil gibt uns viele Eindrücke über die Charakteristik unseres Hörraumes. Auf Grund unserer Hörerfahrung erkennen wir sehr deutlich, ob wir in unserem Wohnzimmer, im Keller oder in der Dusche Musik hören.
Je höher also der indirekte Schallanteil, desto mehr passiert alles in unserem Raum und desto schlechter gelingt die Reproduktion des Originalklanges.
Die erste Überlagerung mit dem Direktschall
Grundsätzlich überlagert sich der reflektierte Schall mit einem entsprechenden Zeitversatz dem Direktschall. Dabei ergeben sich durch Phasenverschiebungen Additionen und Subtraktionen. Der Frequenzgang wird stark wellig, so ähnlich wie bei kantigen wenig abgerundeten Lautsprechergehäusen. Dieses Phänomen wirkt sich im Hörraum zunehmend stärker aus, je tiefer die vom Lautsprecher abgestrahlte Frequenz ist. Tiefe Frequenzen werden eher breit abgestrahlt und beeinflussen demzufolge stärker das Reflexionsgeschehen.
Eine nahezu dramatische Auswirkung haben Reflexionen, die mit dem Einschwingvorgang interferieren (sich überlagern).
Dies geschieht besonders häufig im Tiefton- und Grundtonbereich, da die ersten Halbwellen des Einschwingvorganges einen längeren Zeitraum zur Entstehung brauchen (Hz = Schwingungen pro Sekunde) als bei hohen Frequenzen. Dramatisch ist die Auswirkung deshalb, weil durch die Deformation der Einschwingvorgänge wesentliche Informationen über das Original-Klanggeschehen verzerrt werden.
Experiment 3:
Wir brauchen eine CD mit Rauschen, am besten mit Rosa Rauschen, oder einen Rauschgenerator. Zur Not hilft auch ein Radio ohne Antenne!
Dann schließen wir nur einen Lautsprecher an und bitten einen Freund, eine Freundin oder die Nachbarin, uns zu helfen. Der helfenden Person drücken wir nun einen etwas größeren, flachen Gegenstand in die Hände, z.B. Regalboden, Weltatlas o.ä., und stellen sie neben den Lautsprecher.
Nachdem wir es uns im Sessel gemütlich gemacht haben, bitten wir nun unsere/n Helfer/in, den flachen Gegenstand als Schallreflektor einzusetzen, sich langsam dem Lautsprecher zu nähern, sich wieder zu entfernen und dabei den Reflektor in verschiedenen Winkeln zum Lautsprecher zu positionieren.
Dieser Versuch macht unmittelbar und praktisch erlebbar, wie reflektierende Gegenstände oder Flächen in der Nähe von Schallquellen wirken.
Tonstudio Zimmerli, Düsseldorf, mit Myro Amur D und Myro Whisky
Mehrkanal-Wiedergabe
Ein wesentlicher Grund, warum es Mehrkanal-Wiedergabe gibt, besteht möglicherweise darin, dass die räumliche Wiedergabe von Stereo bisher als unbefriedigend wahrgenommen wurde. Fast alle Lautsprecher am Markt können Signale nicht zeitlich richtig reproduzieren, davon hängt aber eine wirklich überzeugende räumliche Darstellung ab. Es geht hierbei um die Abbildung der in den Sound-Tracks enthaltenen Rauminformationen. Gelingt es nicht, diese Rauminformationen wiederzugeben, sodass im Gehirn des Hörers ein plausibler Raumeindruck entsteht, dominiert der Raumeindruck des Wiedergaberaumes, des zweiten an der Reproduktion beteiligten Raumes. Kein Mensch kann sich zeitgleich in zwei verschiedenen Räumen aufhalten! Surround bringt gegenüber Stereo nur den Vorteil, dass Schall aus weiteren Richtungen geortet werden kann und somit eine Rundum-Ortung entsteht. Ohne die signal- / zeitrichtige Wiedergabe bleibt es aber ein eingeschränkter enger Raumeindruck mit vagabundierenden Schallereignissen und einem Nebel an Artefakten. Die Lautsprecher als Schallquelle sind immer noch ortbar. Um diese Ortbarkeit weiter zu reduzieren, bedient man sich zusätzlicher Reflexionen, wie sie zum Beispiel durch einen Dipol angeregt werden.
Dadurch erhöht sich die Anzahl der Schallquellen und die Lautsprecher spielen bei der Ortung eine geringere Rolle.
Der große Nachteil ist allerdings, dass man die Dominanz des Hörraumes erheblich verstärkt, so dass der in der Aufnahme enthaltenen Raumeindruck zunehmend verloren geht. Ein Lautsprecher mit signal- / zeitrichtigem Verhalten ist als Schallquelle nicht ortbar, er ist praktisch durchsichtig, transparent. Somit ist es nicht erforderlich, sogar hinderlich, Raumreflexionen durch eine Dipol-Charakteristik zu erzeugen. Mit signal- / zeitrichtigen Lautsprechern hat man die Chance im Stereo- wie auch im Surround-Betrieb, den Ursprungs-Raumeindruck der Aufnahme weitgehend wiederzugeben.
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