Kann man Klang messen?
Die Wahl des Messmikrofons ist ebenfalls von großer Bedeutung (nebst Halterung). Es hat linear und extrem breitbandig zu sein. Das Messequipment sollte mehrere Oktaven breitbandiger sein als das Messobjekt. Bereits für eine seriöse 20 kHz Messung braucht man ein Mikrofon mit einer Membraneigenresonanz von mindestens 40 kHz, besser noch 80 kHz! Eine entsprechende Linearität des Frequenzgangs vorausgesetzt. Um z.B. 25 kHz halbwegs sauber messen zu können, sollte das Mikrofon bis mindestens 100 kHz linear sein. Ansonsten sieht auch der Anfang des Rechtecksignals / der Sprungantwort verbogen aus. Die Mehrzahl der Mikrofone zeigt bereits deutliche Abweichungen ab 15 kHz. Für die im Falle des Diamanthochtöners anvisierten Messungen bis 50 kHz kommen nur wenige Messkapseln in Frage, denn zum Aufspüren von etwaigen Menbranresonanzen sind Messungen im Ultraschallbereich erforderlich.
Zu den realen Betriebsbedingungen zählt bei Lautsprechern ein Hör- / Messabstand von normalerweise mehr als 2 m. Wichtig ist, dass die Anstiegsflanken der Chassis bei praxisgerechter Entfernung des Mikrofons in richtiger Relation zueinander stehen: Je nach Lautsprechermodell ist praxisnah bei Myro 1,5 - 5 m (ab 3 m Freifeld). Wer seine Lautsprecher auf 1 m Abstand entwickelt, wird erfahren, dass es bei praxisnahen Hörabständen nicht mehr stimmt. In Anbetracht der Not, mangels ausreichend großer, reflexionsbedämpfter Schallmessräume möglichst glatte Messkurven zwecks Veröffentlichung zu erhalten, hat sich aber die Messung innerhalb kurzer Abstände etabliert. Zu Zeiten, da die Macht der Testzeitschriften ungebrochen war, haben einige Hersteller die dort notgedrungenermaßen angewandten Messbedingungen regelrecht kopiert, um im Test die darauf bezogenen guten Bewertungen zu bekommen. Somit passen alle, die unter diesen Bedingungen messen, ihre Messbedingungen einer Notlage an, jedoch nicht den praxisgerechten und naturgesetzlichen Bedingungen.
Die Oszilloskop-Messung
Wenn man sich die Schallstuktur eines Musikstücks auf dem Oszilloskop ansieht, kann man erkennen, dass die Musik ganz wesentlich eine Folge von Transienten ist. Das markante an den Transienten ist, dass sie wie Hochhäuser aus dem Klanggemisch hervor ragen. Sie sind die um ein vielfaches lauteren Schallstrukturen, eben genau die Peaks, welche die Verdeckungseffekte in Bezug auf nachfolgende Schallwellen bewirken. Myro macht seit sehr langer Zeit Schallaufnahmen mit dem Oszilloskop und sucht bzw. entwickelt Schallwellenformen, die geeignet sind, bei möglichst eindeutiger Aussagekraft einen Lautsprecher auf dessen Wandlerfähigkeit hin zu überprüfen. Beim Vorschalten verschiedener Filter sieht man bei gleichbleibendem zeitlichen Ursprung z.B. die der Filtersteilheit entsprechende Änderung der zeitlichen Ausdehnung der ersten Halbwelle und die Amplitudenänderungen. Genau genommen kann ein Chassis nur bei exakt einer einzigen Frequenz die erste Halbwelle mit der richtigen Frequenz wiedergeben! Dies ist ganz einfach mit Oszilloskopmessungen nachzuvollziehen.
Oszilloskopmessungen liefern das komplexeste Abbild von Schallereignissen, die Schalldruckschwankungen mit ihrem zeitlichen Verlauf. Sie sind die Basis für mathematisch generierte, komplexitätsreduzierte, theoretische Auswertungsaspekte. Sie sind somit näher an der wirklichen Natur des Schalls als die mathematischen Ableitungen aus ihnen. Mit Oszilloskopemessungen kann man nachweisen und überprüfen, ob Entwicklungen und Einstellungen anhand von mathematisch abgeleiteten Messmodellen in der Komplexität der Wirklichkeit des Schalls funktionieren oder nicht. Es ist kein Zauberwerk, ein einfaches Signal oder eine komplexe Signalstruktur durch eine Übertragungsstrecke zu leiten und sich anzuschauen, was am Ende heraus kommt. Hierbei gibt es ein richtig oder falsch. Richtig könnte man als "neutral" definieren. Bei groben Abweichungen von INPUT = OUTPUT entfällt eigentlich jede weitere Diskussion. Das Problem einer eindeutigen Beurteilung tritt dann auf, wenn die Abweichungen vielschichtig und / oder gering sind. Hier fängt die subjektive Interpretation objektiver Kriterien an. Bei vielen Diskussionen sind wir oft in diesem Bereich.
Dynamic Measurement
Das von Myro mitentwickelte Dynamic Measurement Verfahren ist keine alternative Methode zur Ermittlung der Sprungantwort oder zur Frequenzanalyse und steht somit nicht in Konkurrenz zu anderen Messsystemen. Sinn des Dynamic Measurement Verfahrens ist die Messung von Signalen auf der Zeitebene. Dabei wird ein Signal in eine Übertragungsstrecke gegeben und mit dem Ausgangssignal verglichen. Prinzipiell ist es dabei unerheblich, welches Signal verwendet wird, Hauptsache es befindet sich innerhalb der Übertragungsbandbreite der Übertragungsstrecke.
Bei der Musikwiedergabe wird ein elektroakustischer Wandler mit einer komplexen Signalstruktur angeregt. Die Verwendung einer Halbwelle oder einer Sinusperiode als Messsignal dient der Vereinfachung der Erkennung der Wandlereigenschaften von Lautsprechern gegenüber der Messung mit komplexeren Signalformen. Das Dynamic Measurement Verfahren ist damit eine noch bessere Grundlage für die Interpretation des dynamischen Verhaltens. Es zerlegt die Sprungmessung praktisch in Halbwellen und stellt sie einzeln in 3D dar. Hierbei wird der Bezug zu der jeweiligen Frequenz hergestellt und die Effekte werden besser zuzuordnen.
Fortsetzung folgt...
<zurück: Myroklopädie>
<zurück: Myro>