Kann man Klang messen?
Die Bewertung von Messergebnissen, von den Bildern, die unser Auge sieht, stößt an Grenzen. Kein Lautsprecher ist auf ein Zehntel-Dezibel linear und somit tritt ab einem bestimmten Grad der Interpretationsfähigkeit anstelle der Objektivität die subjektive Vermutung oder Einschätzung. Zum Glück ist unser Gehör weitaus interpretationsfähiger als das Gehirn auf Grundlage messtechnischer Bilder. Zum Beispiel gibt es Einspiel-Phänomene, die mit den üblichen Verfahren messtechnisch nicht erkennbar sind, aber dennoch das Hörempfinden spürbar beeinflussen. Ein Beweis dafür, dass unser Gehör weit empfindlicher und auflösender ist als wir gemeinhin annehmen. An dieser Stelle fängt bei der Entwicklung das Hören an. Die einfachste und zuverlässigste Methode, insbesondere bei der Feinabstimmung von Filtern, ist das Hören mit Rosa Rauschen. Dieses Hören will gelernt sein. Ansonsten bewertet man nicht das zur Abstimmung angelegte Filter, sondern andere Empfindungen beim Hören von Rauschen. Das Rauschen ist ein komplexes dynamisches Geräusch, dass gemittelt weitgehend konstant ist und daher die Arbeit erleichtert, das aber auch den Transienten innerhalb von Musik sehr nahe kommt und somit das dynamische, zeitliche Verhalten von Filtern sehr gut beurteilen lässt.
Wo die Messtechnik endet fängt das Rauschen an!
Wie geht Myro mit Konfliktsituationen um, in denen sich das Gehörte vom Gesehenen unterscheidet?
Indem man sich des zuvor dargestellten bewusst ist und indem man an den vielen Unzulänglichkeiten ohne Scheuklappen arbeitet, an der Wahrnehmung und auf der akribischen Suche nach dem nützlichsten Messverfahren und der aussagekräftigsten Methode, Visualisierung und Hörerfahrung.
In der Elektroakustik haben wir es aber vorrangig mit Fehlern in einer Größenordnung zu tun, die eindeutig messtechnisch aufgezeigt werden kann. Hier handelt es sich vor allem um Felsbrocken, nicht um Feinstaub! Um diesen kümmert man sich, wenn die Felsbrocken aus dem Weg geräumt werden konnten. Und falls dies nicht möglich sein sollte, dann sollte man lieber ein neues Konzept verfolgen.
Grundlagen für MessungenDer Begriff "Elektroakustischer Wandler" ist eigentlich verkürzt. Genauer wäre: "Elektro-mechanisch-thermisch-akustischer Wandler". Darin spiegelt sich die Komplexität wider, mit der wir es zu tun haben. Und das ist auch der Grund, warum die in Simulationen angewendeten Modelle nicht wirklich greifen: Es müssen zu viele Annahmen und Ausschlüsse gemacht werden. Theorien und Messtechnik sind zu komplex für einfache Modellbildungen. In der Praxis haben wir es mit einigen Nichtlinearitäten und Störungen (wie Rumpeln, Rauschen etc.) zu tun. Chassis an sich sind komplex in ihrem Verhalten und nichtlinear in den meisten Eigenschaften. Die Interaktion der Chassis untereinander, mit dem Gehäuse und der räumlichen Umgebung ist ebenso komplex und nichtlinear. Resonanzstellen bäumen sich auf, brechen zusammen und erscheinen dann nochmals usw. Chassis verhalten sich zeitlich variant! Oder die Aufhängungen: Sie haben eine Nachgiebigkeit, die einer gewissen Funktion entspricht, zumindest theoretisch. Sie haben aber auch ein Resonanzverhalten. Sie erzeugen Eigenschwingungen, die sich als Körperschall im Material, in damit verbundene Materialien und in der Umgebung in Form von Schallwellen ausbreiten, die reflektiert werden usw. Die Wechselwirkung mit den anderen Bestandteilen des Chassis sind vielfältig, komplex und chaotisch, z.B. der Membran oder dem Gehäuse; auch das chaotische Verhalten der angeregten Materialien (Membran, Aufhängungen etc.) mit den vielen unterschiedlichen Zeitkonstanten mit deren zeitverzögerten Rückwirkungen in Form von abgestrahltem Schall und in mechanischer Form, z.B. auf den Antrieb und die Nichtlinearitäten des Antriebs selbst etc. Deshalb sind Simulationen und Messungen im eingeschwungenen Zustand (z.B. FFT) realitätsfern! Das ist der Grund, warum Myro sich nicht in die Tiefen einzelner Messmodelle und Ersatzschaltbilder begibt. Man schaut sich hingegen die Signal- / Schallstruktur direkt an, bevor sie sich unter Annahmen und Ausschlüssen in die Enge eines Modells verabschiedet. Dafür wurde auch das Dynamic Measurement Verfahren ausgedacht. |
Das Messsystem
Unverfälschte Messergebnisse erfordern ein präzises Messsystem. Myro verwendet das ATB Precision, ein computergestütztes Messgerät der Firma Kirchner-Elektronik mit zusätzlicher Dynamic Measurement Software. Für die perfekte Verstärkung der Messsignale dient eine Verstärker-Endstufe Audionet AMP I.
Die Wahl des Messmikrofons ist ebenfalls von großer Bedeutung (nebst Halterung). Es hat linear und extrem breitbandig zu sein. Sehr viele Messmikrofone steigen im Frequenzgang ab 10 kHz an und fallen ab 15 - 20 kHz ab. Das Messequipment sollte aber mehrere Oktaven breitbandiger sein als das Messobjekt. Bereits für eine seriöse 20 kHz Messung braucht man ein Mikrofon mit einer Membraneigenresonanz von mindestens 40 kHz, besser noch 80 kHz! Eine entsprechende Linearität des Frequenzgangs vorausgesetzt. Um z.B. 25 kHz halbwegs sauber messen zu können, sollte das Mikrofon bis mindestens 100 kHz linear sein. Ansonsten sieht auch der Anfang des Rechtecksignals / der Sprungantwort verbogen aus. Die Mehrzahl der Mikrofone zeigt bereits deutliche Abweichungen ab 15 kHz. Für die im Falle des Diamanthochtöners anvisierten Messungen bis 50 kHz kommen nur wenige Messkapseln in Frage, denn zum Aufspüren von etwaigen Membranresonanzen sind Messungen im Ultraschallbereich erforderlich.
Zur Aufnahme des Schalls wird daher ein hochpräzises Mikrofon der Firma Microtech Gefell verwendet, das Kondensatormikrofon MK 301 mit entsprechendem Mikrofonvorverstärker und Netzgerät. Dieses Mikrofon besitzt eine hervorragende Linearität und einen Übertragungsbereich bis 100 kHz. Die Messungen finden im wesentlichen im firmeneigenen reflexionsarmen Raum statt.
Frequenzgang des Myro Messmikrofons (Frequenzgang bis 100 kHz, Abweichung max. +/- 1 dB)
Zu den realen Betriebsbedingungen zählt bei Lautsprechern ein Hör- / Messabstand von normalerweise mehr als 2 m. Wichtig ist, dass die Anstiegsflanken der Chassis bei praxisgerechter Entfernung des Mikrofons in richtiger Relation zueinander stehen: Je nach Lautsprechermodell ist praxisnah bei Myro 1,5 - 5 m (ab 3 m Freifeld). Wer seine Lautsprecher auf 1 m Abstand entwickelt, wird erfahren, dass es bei praxisnahen Hörabständen nicht mehr stimmt. In Anbetracht der Not, mangels ausreichend großer, reflexionsbedämpfter Schallmessräume möglichst glatte Messkurven zwecks Veröffentlichung zu erhalten, hat sich aber die Messung innerhalb kurzer Abstände etabliert. Zu Zeiten, da die Macht der Testzeitschriften ungebrochen war, haben einige Hersteller die dort notgedrungenermaßen angewandten Messbedingungen regelrecht kopiert, um im Test die darauf bezogenen guten Bewertungen zu bekommen. Somit passen alle, die unter diesen Bedingungen messen, ihre Messbedingungen einer Notlage an, jedoch nicht den praxisgerechten und naturgesetzlichen Bedingungen.
Beispiel: Der Vergleich von Sprungantworten mit Original DC-Sprung-Messung und mit mathematischer Ableitung aus Messsignalen, die den Lautsprecher im quasi-eingeschwungenen Verhalten messen.
In der folgenden Messung sehen wir deutlich den Unterschied zwischen einer Sprungantwort aus der Nullstellung heraus gegenüber der aus dem schwingenden Verhalten. Bei der ersten Sprunganregung starten die Chassis mit einer Anfangsgeschwindigkeit v = 0. Bei der zweiten, invertierten Sprunganregung starten die Chassis von der Vornestellung (+DC mit der Anfangsgeschwindigkeit v = 0) hin zur Nulllinie und darüber hinaus zur rückwärtigen Stellung (-DC) und erreichen im Bereich der Nulllinie die maximale Geschwindigkeit der Membranbewegung. Die Startgeschwindigkeiten der beiden Sprungantworten sind demzufolge:
- Bei der ersten Sprungantwort v = 0
- Bei der zweiten Sprungantwort v = max.
Und genau darin ist der Unterschied zu verstehen zwischen Sprungantwortmessungen mit einem echten Oszilloskopsprung und der Ableitung aus einem Messsignal, bei dem der Lautsprecher aus dem schwingenden Zustand heraus gemessen wird.
Die zweite Sprungantwort des Lautsprechers bei der Rechteckmessung kurz vor 24 ms zeigt uns, im Unterschied zur ersten Sprungantwort am Anfang, folgendes:
1. Eine deutlich höhere Amplitude, die jedoch nicht daraus resultiert, dass die invertierte Ansteuerung des Lautsprechers grundsätzlich anders aussieht.
2. Eine deutliche Zunahme der Amplitude der Anstiegsflanke, der höheren Frequenzen und eine relativ geringe bei tieferen Frequenzen.
Dynamic Measurement
... ein Klanganalyseverfahren für Lautsprecher und Elektronik.
Das von Myro mitentwickelte Dynamic Measurement Messverfahren prüft und analysiert die Wandlerfähigkeit von Lautsprechern. Der Sinn ist die Messung von Signalen auf der Zeitebene. Dies geschieht auf der Basis von Vergleichen. Dabei wird ein vorgegebenes elektrisches Testsignal in eine Übertragungsstrecke gegeben und mit der Schallantwort des Lautsprechers verglichen. Prinzipiell ist es dabei unerheblich, welches Signal verwendet wird, Hauptsache es befindet sich innerhalb der Übertragungsbandbreite der Übertragungsstrecke. Als Testsignale werden vorzugsweise halbe Sinusschwingungen verschiedener Frequenzen verwendet, da akustische Ereignisse im wesentlichen auf diesen Schwingungsformen basieren. Bei der Musikwiedergabe wird ein elektroakustischer Wandler mit einer komplexen Signalstruktur angeregt. Die Verwendung einer Halbwelle oder einer Sinusperiode als Messsignal dient der Vereinfachung der Erkennung der Wandlereigenschaften von Lautsprechern gegenüber der Messung mit komplexeren Signalformen. Das Dynamic Measurement Verfahren ist damit eine noch bessere Grundlage für die Interpretation des dynamischen Verhaltens. Es zerlegt die Sprungmessung praktisch in Halbwellen und stellt sie einzeln in 3D dar. Hierbei wird der Bezug zu der jeweiligen Frequenz hergestellt und die Effekte werden besser zuzuordnen.
Es wird die Schallantwort des Lautsprechers im tatsächlichen Druck-Zeit-Verlauf dargestellt. So bleiben die komplexen Eigenschaften ersichtlich. Zeitverhalten, Amplitude, Polarität und Signalverzerrungen werden in einem Vorgang gemessen und dargestellt. Das Messprogramm bietet zudem Möglichkeiten der Analyse der Messergebnisse in Bezug auf Zeit, Phase, Amplitude und Frequenzspektrum (FFT-Analyse).
Dynamic Measurement ist keine alternative Methode zur Ermittlung der Sprungantwort oder zur Frequenzanalyse und steht somit nicht in Konkurrenz zu anderen Messsystemen.
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