Was zeigen Sprungantwort, Gruppenlaufzeit und Phasengang?: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Sprungantwort ist kein typischer Parameter speziell für einen Lautsprecher. Sie ist ein Signal aus der Regelungstechnik und dient bei beliebigen technischen Systemen zur Beschreibung des Verhaltens zwischen Ein- und Ausgang. <br />
 
Die Sprungantwort ist kein typischer Parameter speziell für einen Lautsprecher. Sie ist ein Signal aus der Regelungstechnik und dient bei beliebigen technischen Systemen zur Beschreibung des Verhaltens zwischen Ein- und Ausgang. <br />
Es ist innerhalb der Fachwelt Konsens, dass die Sprungantwort das Übertragungsverhalten eines Lautsprechers repräsentiert. Ob auf Achse, unter Winkel, von hinten oder von vorne oder invertiert gemessen, beschreibt sie das Übertragungsverhalten von Lautsprechern so vollständig wie kein anderes Testsignal. Sie sagt damit direkt aus, wie er klingt. Jede kleinste Abweichung vom Idealverlauf ist ein Fehler, eine Nichtlinearität. Für die anderen Parameter gilt hingegen:
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Es ist innerhalb der Fachwelt Konsens, dass die Sprungantwort das Übertragungsverhalten eines Lautsprechers repräsentiert. Ob auf Achse, unter Winkel, von hinten oder von vorne oder invertiert gemessen, beschreibt sie das Übertragungsverhalten von Lautsprechern so vollständig wie kein anderes Testsignal. Sie sagt damit direkt aus, wie er klingt. Jede kleinste Abweichung vom Idealverlauf ist ein Fehler, eine Nichtlinearität. Man sollte sie ernst nehmen und zu deuten wissen. Für die anderen Parameter gilt hingegen:
  
 
*Der Frequenzgang auf Achse allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
 
*Der Frequenzgang auf Achse allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
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*Die linearen und nichtlinearen Verzerrungen allein sagen uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
 
*Die linearen und nichtlinearen Verzerrungen allein sagen uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  
Es ist leicht mit jeder beliebigen Signalform / Klangstruktur nachzuweisen, dass ein Lautsprecher mit deformierter Sprungantwort auch andere Signale verzerrt und dass ein Lautsprecher mit einer Sprungantwort ganz nahe dem Idealverlauf auch jedes andere Signal sehr genau wandelt. Unser Trommelfell nimmt durch diese Abweichungen im Druck-Zeit-Verlauf ein dementsprechendes Klangbild wahr.<br />
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Das Wandlerverhalten eines Lautsprechers aus Frequenz- und Phasengang zu interpretieren ist wesentlich weniger aussagefähig. Das liegt schon in den Annahmen und Ausschlüssen begründet, die diesen Messmodellen zugrunde liegen. Es ist leicht mit jeder beliebigen Signalform / Klangstruktur nachzuweisen, dass ein Lautsprecher mit deformierter Sprungantwort auch andere Signale verzerrt und dass ein Lautsprecher mit einer Sprungantwort ganz nahe dem Idealverlauf auch jedes andere Signal sehr genau wandelt. Unser Trommelfell nimmt durch diese Abweichungen im Druck-Zeit-Verlauf ein dementsprechendes Klangbild wahr.<br />
 
Beim Lautsprecher handelt es sich um einen elektroakustischen Wandler. Die elementare Aufgabe eines elektroakustischen Wandlers besteht darin, eine ihm zugeführte Signalstruktur ''in eine äquivalente'' Schallstruktur zu wandeln. Das schließt Frequenzganglinearität, Verzerrungsarmut, Dynamik, Phasengang, Impulswiedergabe, Ein- und Ausschwingverhalten,
 
Beim Lautsprecher handelt es sich um einen elektroakustischen Wandler. Die elementare Aufgabe eines elektroakustischen Wandlers besteht darin, eine ihm zugeführte Signalstruktur ''in eine äquivalente'' Schallstruktur zu wandeln. Das schließt Frequenzganglinearität, Verzerrungsarmut, Dynamik, Phasengang, Impulswiedergabe, Ein- und Ausschwingverhalten,
 
Abstrahlverhalten usw. mit ein. <br />
 
Abstrahlverhalten usw. mit ein. <br />

Version vom 11. Februar 2016, 03:24 Uhr

Die Sprungantwort ist kein typischer Parameter speziell für einen Lautsprecher. Sie ist ein Signal aus der Regelungstechnik und dient bei beliebigen technischen Systemen zur Beschreibung des Verhaltens zwischen Ein- und Ausgang.
Es ist innerhalb der Fachwelt Konsens, dass die Sprungantwort das Übertragungsverhalten eines Lautsprechers repräsentiert. Ob auf Achse, unter Winkel, von hinten oder von vorne oder invertiert gemessen, beschreibt sie das Übertragungsverhalten von Lautsprechern so vollständig wie kein anderes Testsignal. Sie sagt damit direkt aus, wie er klingt. Jede kleinste Abweichung vom Idealverlauf ist ein Fehler, eine Nichtlinearität. Man sollte sie ernst nehmen und zu deuten wissen. Für die anderen Parameter gilt hingegen:

  • Der Frequenzgang auf Achse allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Der Frequenzgang unter Winkel allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Die Gruppenlaufzeit allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Die linearen und nichtlinearen Verzerrungen allein sagen uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.

Das Wandlerverhalten eines Lautsprechers aus Frequenz- und Phasengang zu interpretieren ist wesentlich weniger aussagefähig. Das liegt schon in den Annahmen und Ausschlüssen begründet, die diesen Messmodellen zugrunde liegen. Es ist leicht mit jeder beliebigen Signalform / Klangstruktur nachzuweisen, dass ein Lautsprecher mit deformierter Sprungantwort auch andere Signale verzerrt und dass ein Lautsprecher mit einer Sprungantwort ganz nahe dem Idealverlauf auch jedes andere Signal sehr genau wandelt. Unser Trommelfell nimmt durch diese Abweichungen im Druck-Zeit-Verlauf ein dementsprechendes Klangbild wahr.
Beim Lautsprecher handelt es sich um einen elektroakustischen Wandler. Die elementare Aufgabe eines elektroakustischen Wandlers besteht darin, eine ihm zugeführte Signalstruktur in eine äquivalente Schallstruktur zu wandeln. Das schließt Frequenzganglinearität, Verzerrungsarmut, Dynamik, Phasengang, Impulswiedergabe, Ein- und Ausschwingverhalten, Abstrahlverhalten usw. mit ein.

Die Sprungantwort hat ihren gleichmäßigen Verlauf NUR dann, wenn:

  • der Frequenzgang auf Achse linear ist, dessen Grenzbereiche auch sehr gut zu erkennen sind. Entsprechendes gilt unter Winkel.
  • die Gruppenlaufzeit linear ist, oder auch der Phasengang.
  • die linearen und nichtlinearen Verzerrungen minimal sind.
Kleine Elfe.jpg

Myro Kleine Elfe

In den genannten Fällen gilt der Umkehrschluss nicht! Ein linearer Frequenzgang weist nicht auf eine richtige Sprungantwort hin. Ein gleichmäßiger Phasengang ebenfalls nicht. Damit ist "richtig wandeln" nicht gewährleistet! Phase und Amplitude stehen in einer Wechselwirkung, jedoch lässt sich der Amplitudengang auch bei gleichzeitiger Verschlechterung des Phasengangs verbessern. (Dafür gibt es viele Beispiele von Lautsprechern mit Filtern 2. oder 3. Ordnung etc.) Und zwar dann, wenn das Messsignal den Lautsprecher in einen eingeschwungenen Zustand versetzt und die Auswertungen deshalb nur Aussagen darüber zulassen. Für die Sprungantwort ist aber die Phase im Einschwingen, in der Impulsdynamik, von Bedeutung!

Fehler bei der Entwicklung von elektroakustischen Wandlern treten meistens dann auf, wenn das komplexe Ergebnis der Sprungantwort in die genannten Differenzierungen überführt wird und der Entwickler auf dieser differenzierten Modellebene weiter entwickelt und sein Entwicklungsobjekt optimiert.

Es gibt Nichtlinearitäten im Übertragungsverhalten von Lautsprechern, die grundsätzlich aus der begrenzten Übertragungsbandbreite resultieren. Diese Grenzen sind bei Lautsprechern mit weitgehend korrekter Sprungantwort auch klar zu sehen.

Grundsätzlich gilt:

  • Der Hochtöner bestimmt die maximale Anstiegsgeschindigkeit eines Impulses.
  • Das synchrone Einschwingen des Hochtöners mit dem Mittel- und Tieftöner bewirkt die volle Impuls-Dynamik. Eine Bassdrum beispielsweise klingt dann schnell und knackig, wenn alle Lautsprecherchassis synchron, in Phase, einschwingen.

Die Sprungantwort startet mit der Anstiegszeit des Hochtöners. Der Hochtöner hat aber seine Grenze in der Anstiegszeit und die Energie, welche eigentlich am Anfang erzeugt werden müsste, wird zumeist leicht verzögert in Schall gewandelt. Dann entsteht eine überhöhte Spitze. Die tieffrequente Begrenzung des Übertragungsverhaltens macht sich in einem mehr oder weniger starken Abfallen der Kurve bemerkbar. Fällt die Kurve ab der Spitze steil ab, so kann der Tieftöner die erste Halbwelle im Bassbereich nur schwach ausbilden. Verläuft der Graph flacher, dann gelingt dies besser. Ein Lautsprecher sollte natürlich auch unter verschiedenen Hörwinkeln eine ordentliche Sprungantwort aufzeigen. Das zu schaffen ist jedoch die hohe Kunst.

Eine korrekte Sprungantwort auf Hörachse ist allerdings die unbedingte Voraussetzung für die richtige Wandlung der Schwingungen, der Musik.

Der Phasengang

Die Darstellung des Frequenzgangs erfolgt gelegentlich auch als komplexer Frequenzgang, mit dem der Phasengang abgebildet wird. Auch dieser Phasengang eines Lautsprechers beschreibt die Zeitbeziehungen im eingeschwungenen Zustand, nicht aber das Impulsverhalten. Die Zeitbeziehungen im Einschwingvorgang unterscheiden sich erheblich von den Zeitbeziehungen im eingeschwungenen Zustand. Selbst Lautsprecher mit invertierten Chassis können einen gleichmäßigen (eingeschwungenen) Phasengang aufweisen. Die Impulswiedergabe ist dabei trotzdem fehlerhaft.
Phasenbetrachtungen setzen voraus, dass innerhalb des Messmodells Bezugspunkte definiert sind, die unter dem Aspekt zeitlicher Verschiebungen in Relation zueinander gesetzt werden. Die Auswertung bezieht sich dabei entweder auf einen eingeschwungenen Zustand oder auf einen quasi-statischen Zustand. Das erklärt auch, weshalb aus dem Phasengang keine Rückschlüsse auf das Ausgangssignal gezogen werden können. Insbesondere die ersten Halbwellen des Einschwingvorgangs, die in höchstem Maße die Ortung und die Identifikation eines Schallereignisses bestimmen, werden durch Phasenmessungen nicht dargestellt. Der Phasengang bezogen auf die ersten Halbwellen sähe ganz anders aus als der Phasengang bezogen auf nachfolgende Halbwellen. Es kann also keinen Phasengang geben, der allgemeingültig aussagefähig ist.

Beispiel:
Die Klangcharakteristik von Instrumenten wird neben deren Einschwingvorgängen vor allem durch ein charakteristisches Spektrum von Grundtönen und deren Vielfachen (Obertönen) bestimmt. Liegt der Grundton beispielsweise bei 440 Hz und die Obertöne bei 880, 1.760, 3520, 7.040 Hz usw., so ergibt sich eine Schalldruckstruktur aus der Überlagerung dieser Wellen. Bei Verpolung des Hochtöners überlagert sich dieses Gemisch aus Grundton und Obertönen ganz anders und führt zu einer lautsprechertypischen, künstlichen Schallstruktur. Die Überlagerung einer richtig gepolten 440 Hz-Schwingung mit einer invertierten 7.040 Hz-Schwingung ergibt definitiv eine deutlich vom Original abweichende Summe. Im Phasengang sind all diese Phänomene aber unsichtbar!
Der Modebegriff "Zeitrichtige Lautsprecher", der sich in der Regel auf einen halbwegs linearen Phasengang bezieht, sagt im Grunde gar nichts aus.


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