Was zeigen Sprungantwort, Gruppenlaufzeit und Phasengang?

Es ist innerhalb der Fachwelt Konsens, dass die Sprungantwort das Übertragungsverhalten eines Lautsprechers repräsentiert. Ob auf Achse, unter Winkel, von hinten oder von vorne oder invertiert gemessen, beschreibt sie das Übertragungsverhalten von Lautsprechern so vollständig wie kein anderes Testsignal. Sie sagt damit direkt aus, wie er klingt. Jede kleinste Abweichung vom Idealverlauf ist ein Fehler, eine Nichtlinearität. Für die anderen Parameter gilt hingegen:

  • Der Frequenzgang auf Achse allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Der Frequenzgang unter Winkel allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Die Gruppenlaufzeit allein sagt uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.
  • Die linearen und nichtlinearen Verzerrungen allein sagen uns nicht, wie ein Lautsprecher wandelt.

Es ist leicht mit jeder beliebigen Signalform / Klangstruktur nachzuweisen, dass ein Lautsprecher mit deformierter Sprungantwort auch andere Signale verzerrt und dass ein Lautsprecher mit einer Sprungantwort ganz nahe dem Idealverlauf auch jedes andere Signal sehr genau wandelt. Unser Trommelfell nimmt durch diese Abweichungen im Druck-Zeit-Verlauf ein dementsprechendes Klangbild wahr.

Beim Lautsprecher handelt es sich um einen elektroakustischen Wandler. Die elementare Aufgabe eines elektroakustischen Wandlers besteht darin, eine ihm zugeführte Signalstruktur in eine äquivalente Schallstruktur zu wandeln. Das schließt Frequenzganglinearität, Verzerrungsarmut, Dynamik, Phasengang, Impulswiedergabe, Ein- und Ausschwingverhalten, Abstrahlverhalten usw. mit ein.
Die Sprungantwort ihren gleichmäßigen Verlauf NUR dann, wenn:

  • der Frequenzgang auf Achse linear ist, dessen Grenzbereiche auch sehr gut zu erkennen sind. Entsprechendes gilt unter Winkel.
  • die Gruppenlaufzeit linear ist, oder auch der Phasengang.
  • die linearen und nichtlinearen Verzerrungen minimal sind.
  • In den genannten Fällen gilt der Umkehrschluss nicht! Ein linearer Frequenzgang weist nicht auf eine richtige Sprungantwort hin. Ein gleichmäßiger Phasengang ebenfalls nicht. Damit ist "richtig wandeln" nicht gewährleistet! Phase und Amplitude stehen in einer Wechselwirkung, jedoch lässt sich der Amplitudengang auch bei gleichzeitiger Verschlechterung des Phasengangs verbessern. (Dafür gibt es viele Beispiele von Lautsprechern mit Filtern 2. oder 3. Ordnung etc.) Und zwar dann, wenn das Messsignal den Lautsprecher in einen eingeschwungenen Zustand versetzt und die Auswertungen deshalb nur Aussagen darüber zulassen. Für die Sprungantwort ist aber die Phase im Einschwingen, in der Impulsdynamik, von Bedeutung!

Fehler bei der Entwicklung von elektroakustischen Wandlern treten meistens dann auf, wenn das komplexe Ergebnis der Sprungantwort in die genannten Differenzierungen überführt wird und der Entwickler auf dieser differenzierten Modellebene weiter entwickelt und sein Entwicklungsobjekt optimiert.

Es gibt Nichtlinearitäten im Übertragungsverhalten von Lautsprechern, die grundsätzlich aus der begrenzten Übertragungsbandbreite resultieren. Diese Grenzen sind bei Lautsprechern mit weitgehend korrekter Sprungantwort auch klar zu sehen.

Grundsätzlich gilt:

  • Der Hochtöner bestimmt die maximale Anstiegsgeschindigkeit eines Impulses.
  • Das synchrone Einschwingen des Hochtöners mit dem Mittel- und Tieftöner bewirkt die volle Impuls-Dynamik. Eine Bassdrum beispielsweise klingt dann schnell und knackig, wenn alle Lautsprecherchassis synchron, in Phase, einschwingen.

Die Sprungantwort startet mit der Anstiegszeit des Hochtöners. Der Hochtöner hat aber seine Grenze in der Anstiegszeit und die Energie, welche eigentlich am Anfang erzeugt werden müsste, wird zumeist leicht verzögert in Schall gewandelt. Dann entsteht eine überhöhte Spitze. Die tieffrequente Begrenzung des Übertragungsverhaltens macht sich in einem mehr oder weniger starken Abfallen der Kurve bemerkbar. Fällt die Kurve ab der Spitze steil ab, so kann der Tieftöner die erste Halbwelle im Bassbereich nur schwach ausbilden. Verläuft der Graph flacher, dann gelingt dies besser. Ein Lautsprecher sollte natürlich auch unter verschiedenen Hörwinkeln eine ordentliche Sprungantwort aufzeigen. Das zu schaffen ist jedoch die hohe Kunst.

Eine korrekte Sprungantwort auf Hörachse ist allerdings die unbedingte Voraussetzung für die richtige Wandlung der Schwingungen, der Musik.


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