Was sagen Frequenzgänge aus?: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 10. März 2023, 15:39 Uhr
Wir sind es gewohnt, Lautsprecher anhand von 2-D-Frequenzgang-Diagrammen zu beurteilen. Von allen Messwerten eines Lautsprechers wird der Frequenzgang am häufigsten dargestellt und bewertet. Er ist das Ergebnis einer Frequenz-Analyse des jeweils verwendeten Messsignals und mitunter ist es die einzige von einem Hersteller bekannt gegebene Messung. Dabei geht man von der irrigen Annahme aus, der Schalldruck-Frequenzgang eines Lautsprechers gäbe erschöpfend Auskunft über seine akustischen Eigenschaften und würde in der angegebenen Bandbreite der Musikwiedergabe auch zur Verfügung stehen, er sei zeitinvariant. Genau das ist aber nicht der Fall. Es soll zwar Personen geben, die so kühn sind, allein aus dem Schalldruck-Frequenzgang eines Lautsprechers auf dessen akustische Qualitäten zu schließen. Aber schon das dreidimensionale Zerfallsspektrum zeigt durch Hinzunahme der Zeitachse Dinge auf, die aus dem Amplitudenfrequenzgang allenfalls zu erahnen sind. Daher werden im folgenden mehrere Aspekte betrachtet, die sich mit den Aussagen, welche einem Frequenzgang zugeschrieben werden, auseinandersetzen. InhaltsverzeichnisBildung einer SchallsummeAlle Parameter (z.B. die Gruppenlaufzeit, linearer Amplituden-Frequenzgang und weitere) sind für die Signalbildung, das heißt für die Rekonstruktion des Eingangssignals, wichtig. Jeder Parameter ist ein Teil des gesamten Wandlungsprozesses, kein einzelner Parameter kann ein Signal bilden. Entsprechend kann ein Amplitudenfrequenzgang keinen Klang darstellen. Man kann einzelne Parameter daher nicht herausnehmen und deren Bedeutung bewerten. |
Sinngemäß trifft dies auch auf die weiteren 2-D-Frequenzdiagramme zu:
Kein normaler Mensch ist jedoch in der Lage, anhand der Betrachtung diverser Diagramme im Kopf mathematisch in das Ursprungssignal zurück zu rechnen. Bei Musikaufnahmen werden die Signale in einer Oszilloskop-Darstellung angezeigt, damit der Tonmeister sie erkennen und bearbeiten kann. Oszilloskop-Darstellungen zeigen das Signal über den zeitlichen Verlauf, nicht aber dessen Frequenzgang. Als geübter Tonmeister hat man ein Auge dafür, welches Ereignis beispielsweise das Einsetzen eines Schlagzeugs darstellt. Zudem lassen sich diese Schwingungen einfach wieder abspielen und hörbar machen. Oszilloskop-Darstellungen repräsentieren im Gegensatz zum Frequenzgang ein hörbares Ereignis. Ohne sie sind Frequenzgang-Diagramme klanglich nicht interpretierbar. Auch diese Interpretation ist extrem schwierig. Im Gegensatz zu Amplituden-Frequenzgang-Diagrammen können zwei identische Oszilloskop-Darstellungen jedoch unmöglich zwei unterschiedliche Klänge darstellen. |
Da Frequenzgangmessungen schwerpunktmäßig Amplitudenwerte des eingeschwungenen Zustands beinhalten, die Einschwingvorgänge nur zu einem geringen Anteil einfließen lassen, sagen sie leider wenig über den Klang eines Lautsprechers und den Klang der resultierenden Raumreflexionen aus. Jenseits der Frequenzgangmessungen stellt sich also die Frage: Was verbirgt sich eigentlich hinter einem Frequenzgang? Einen linearen Frequenzgang erhält man auch von einem Lautsprecher, der kein einziges Signal sauber reproduziert.
Wie sich messtechnisch zeigen lässt, unterscheiden sich beim Einschwingen des Lautsprechers die ersten Halbwellen einer Sinusschwingung eindeutig von den nachfolgenden Schwingungen. Dies bildet sich im Frequenzgang jedoch nicht ab. Da wir aber diese Schwingungsfolge hören, haben wir keine Information über das Klangereignis, das hinter einem Frequenzgangdiagramm verborgen ist. Daher lassen nur Messungen, die das Ganze zeigen, auch eindeutige Rückschlüsse auf das Ganze zu.
Vergleicht man zum Beispiel zwei Lautsprecher mit gleicher -3 dB Grenzfrequenz und gleicher Hochpasscharakteristik, so können bei der Basswiedergabe Welten zwischen beiden liegen, denn der Unterschied liegt wie fast immer, wenn alles gleich erscheint, nicht im Frequenzgang, sondern im dynamischen Verhalten. Bei der Tieftonwiedergabe zählen:
Und alles entscheidend, der Wiedergaberaum! Gleiches gilt für das obere Übertragungsende.
Das WasserfalldiagrammDies ist ein spezielles Messmodell, um den Frequenzgang über der Zeit darzustellen. Dabei wird die Originalschallstruktur gleichgerichtet: Die Polarität, Überdruck und Unterdruck, wird gleichgestellt, das heißt, die Vorzeichen verschwinden und damit auch ein wesentlicher Teil der Information. Und es werden die Beträge der Schalldruckwerte von einer Hüllkurve der Originalschallstruktur gleicher Zeitpunkte dargestellt. Was dabei an Aussage übrig bleibt, ist: In bestimmten Frequenzbereichen zeigen sich im Zeitverlauf Überhöhungen oder Senken der Beträge der Schalldruckwerte von der Hüllkurve der gleichgerichteten Originalschallstruktur. Genau das ist die Aussagekraft. Man muss also genau wissen, wie die Messbedingungen eines Messverfahren aussehen, um zu wissen, was man daraus lesen kann. |
Der Klirrfaktor
Für den Klirr, also die nichtlinearen Verzerrungen, gilt Gleiches wie für den Frequenzgang. Auf Grund der maximalen Empfindlichkeit des Hörsinns beim Einschwingen, bei den Transienten, sind Verzerrungen dieser von höchster Bedeutung. Die lautesten Anteile in der Musik sind die Einschwingvorgänge, die zudem entscheidend für die Erkennung und Ortung der Schallereignisse sind. Klirr wird normalerweise aber im eingeschwungenen Zustand gemessen. Dabei sind die Klirrwerte von Lautsprechern oft schon beachtlich hoch. Messungen im eingeschwungenen Zustand können aber nur die Verzerrungen im eingeschwungenen Zustand zeigen. Je mehr Halbwellen das Messsignal enthält, desto besser kann der Lautsprecher ihm folgen und der "Klirr-Anteil" der ersten Halbwellen geht statistisch nur noch geringfügig in das Ergebnis ein. Die Verzerrungen von Applaus zum Beispiel werden mit den üblichen Messverfahren damit gar nicht erfasst! Diese Schallereignisse sind sehr kurzzeitig und weisen keinen eingeschwungenen Zustand auf; es sind nur Geräusche.
In Anbetracht der dynamischen Signalstrukturen der Musik sind Klirrwerte herkömmlicher Messungen für das Hören praktisch bedeutungslos. Prospekt-Klirr-Werte sind ohne jede praktische Aussagekraft. Denn die Amplituden der Transienten, zu Beginn eines Schallereignisses, sind vielfach höher als die eingeschwungenen Signale und besitzen daher einen anderen Klirrfaktor.
Dieser Klirr lässt sich natürlich nur im Einschwingen (Sprungmessung) messen. Abgesehen davon steigt der Klirr extrem in Abhängigkeit von der Nichtlinearität des Antriebs der Chassis. Nur die dynamischen Verzerrungen (Impulsverzerrungen) spiegeln die Verzerrungen im tatsächlichen Betrieb wieder. Es sind nicht nur ein paar Prozent, es ist ein völlig unterschiedlicher Klang!
Lineare Verzerrungen
Außer dem Klirr gibt es auch noch lineare Verzerrungen des Signals, z.B. aufgrund der akustischen Zentren der Chassis. Auch diese Verzerrungen tragen erheblich zur Verzerrung der Amplitude und der Signalform des Musiksignals bei, sie werden aber durch den Klirrfaktor gar nicht erfasst! Die Verzerrungen eines Lautsprechers sind also insgesamt größer als es der Klirrfaktor aufzeigt. Insbesondere im Einschwingen sind die Amplitudenfehler besonders groß.
Equalizer - ein Medikament mit NebenwirkungenWer einmal den Frequenzgang eines Lautsprechers im Raum weitgehend linearisiert, per automatischer Software oder per Hand, der wird feststellen, dass der Klang dabei keineswegs - wie theoretisch erwartet - das bestmögliche Ergebnis erreicht, sondern im Gegenteil: Die Musik wirkt energielos, gebremst, undynamisch und insgesamt enttäuschend. Hätte der lineare Frequenzgang die klangliche Bedeutung, welche ihm gemeinhin zugeschrieben wird, wäre dieses Ergebnis nicht erklärbar. Dabei kann es durchaus zu Verbesserungen führen, wenn man wenige ausgewählte Frequenzbereiche zurückhaltend korrigiert. In diesem Fall überwiegen die Vorteile. Ein tiefgehender Eingriff in das Signal wird jedoch immer zu einem negativen Ergebnis führen. Mit Kenntnis der voherigen Abschnitte findet man dafür Erklärungen. Ein parametrischer Equalizer ist ein Werkzeug. Er verändert nicht nur die Lautstärke innerhalb eines Frequenzbereichs, sondern greift komplexer in die Signalformen ein. Entscheidend ist immer die Form der Schallwellen. Die klangliche Änderung erfolgt also durch Änderungen der Wellenformen. Aus geänderten Wellenformen lassen sich wieder modelltheoretische Parameter ableiten. Beispiel: |
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